Am 20. September 1839 wurde die erste Eisenbahnlinie der Niederlande feierlich eröffnet. Für die Fahrt von Amsterdam zum etwa 15 km entfernten Haarlem brauchte die Dampflok "De Arend" 25 Minuten. Beliebt war diese neue Art der Fortbewegung unter den Niederländern zunächst nicht - die Eisenbahn fuhr ihnen viel zu schnell und machte außerdem noch furchtbaren Lärm. Man zweifelte an der Notwendigkeit dieser Neuerung und machte sich Sorgen um die Sicherheit. Nicht ohne Grund: noch zu Beginn desselben Jahres war in der Nähe von Gent der Dampfkessel eines abfahrenden Zuges geplatzt. Das Misstrauen war groß, und schließlich funktionierte der Transport von Gütern auf dem Wasserweg bisher doch sehr gut.

Trotz der anfänglich vorherrschenden Skepsis läutete die Einführung der Eisenbahn eine Ära der Veränderungen ein. Die Strecke zwischen Amsterdam und Haarlem wurde bald ausgebaut und bis nach Rotterdam weitergeführt. Mit dem Bau der zweiten wichtigen Bahnlinie - zwischen Amsterdam und Utrecht - wurde 1843 begonnen. In den darauffolgenden Jahren wurden weitere Strecken angelegt, die von verschiedenen Eisenbahngesellschaften betrieben wurden. Um 1900 hatte sich der Zug in den Niederlanden zum wichtigsten Verkehrsmittel entwickelt.

Heute kann man sich kaum noch vorstellen, welche enormen Veränderungen die Eisenbahn für die Gesellschaft mit sich brachte. Zuvor war das Reisen eine äußerst zeitraubende Angelegenheit gewesen, für die meisten Menschen zu teuer und auch nicht immer ungefährlich. Mit dem Zug schienen die Entfernungen kleiner zu werden. Die verbesserten Verbindungen und der gestiegene Reisekomfort trugen wesentlich zur Einigung der Nation bei, denn nun konnten Menschen aus verschiedenen Teilen des Landes viel leichter miteinander in Kontakt kommen, und den Behörden wurde die Verwaltung des Staatsgebiets erleichtert.

Das Schienennetz war eine wichtige Voraussetzung für die Industrialisierung in den Niederlanden, die erst nach 1870 richting in Gang kam. Schließlich galt es, Rohstoffe, Güter und auch Arbeiter zu transportieren. Die Industrialisierung trug wiederum zur Erweiterung des Eisenbahnnetzes bei, das Anfang des 20. Jahrhunderts bereits gut ausgebaut war.
Ab den dreißiger Jahren wurden jedoch viele Linien stillgelegt, insbesondere Kleinbahnen. 1938 wurden alle Linien in einer nationalen Eisenbahngesellschaft zusammengefasst, der NV Nederlandse Spoorwegen, die im Jahr 1995 privatisiert wurde. An der Einflussnahme der Politik und verschiedener Interessenverbände auf die Bahn und ihre Dienstleistungen wird deutlich, welch große gesellschaftliche Bedeutung der Schienenverkehr nach wie vor hat.