Die „Staatenbibel“

Das Buch der Bücher

Für Christen ist die Bibel das wichtigste Buch überhaupt, da sie die von Gott verkündete Wahrheit - das Wort Gottes - enthält. Eine der großen Streitfragen der Reformation war die, für wen die Bibel bestimmt sei. Der katholische Klerus war der Ansicht, dass die Bibel nicht vom gewöhnlichen Volk gelesen werden solle. Schließlich konnten die Gläubigen sich in der Kirche die Auslegungen der Geistlichen anhören, die die Bibel in lateinischer Sprache lasen und die sich als Vermittler zwischen Gott und den Gläubigen verstanden.

Die Protestanten vertraten dagegen die Ansicht, dass jeder Gläubige die Bibel selbst lesen solle und dass die Pfarrer in erster Linie Diener an Gottes Wort seien. Sie hätten die Aufgabe, Gott durch Bibellesungen und Schriftauslegungen zur Gemeinde sprechen zu lassen. Aus diesem Grund benötigte man auch eine möglichst zuverlässige Übersetzung der Bibel in der Landessprache. Im Jahr 1534 stellte der Reformator Martin Luther seine Bibelübersetzung aus den Ursprachen ins Deutsche fertig. Diese Lutherbibel wurde im 16. Jahrhundert auch mehrfach ins Niederländische übersetzt.

Mit der Zeit wurde innerhalb der niederländisch-reformierten Kirche der Ruf nach einer neuen Bibelübersetzung, die auf den ursprünglichen hebräischen und griechischen Handschriften basiert, immer lauter. 1618 gab die wichtigste Versammlung der reformierten Kirche, die Synode, die damals in Dordrecht stattfand, eine solche Übersetzung in Auftrag. Als Vorbild sollte die englische "Authorized Version", die King-James-Bibel aus dem Jahr 1611, dienen. Die Generalstaaten wurden um Finanzierung des Vorhabens gebeten.

Erst 1626 stimmten die Generalstaaten dem Plan zu, woraufhin sich die Übersetzer ans Werk machten. Neun Jahre später war die Übersetzung fertig, und 1637 wurde die "Staatenübersetzung" oder "Staatenbibel" zum Druck freigegeben. In den darauffolgenden 20 Jahren wurden über 500 000 Exemplare gedruckt. Über drei Jahrhunderte hinweg blieb die Staatenbibel die wichtigste Schrift der reformierten Kirchen. Auch heute noch wird sie von einigen Glaubensgemeinschaften verwendet. Zurzeit wird an einer Revision der Staatenübersetzung gearbeitet.

Im Laufe der Zeit wurden unzählige Menschen durch Predigten und Bibellesungen von der Sprache der Staatenbibel beeinflusst, die auch die niederländische Kultur stark geprägt hat. So gehen viele Metaphern und Redewendungen auf sie zurück, die aus dem modernen niederländischen Sprachgebrauch kaum noch wegzudenken sind, wie "iemand op handen dragen" (jemanden auf Händen tragen), "in het zweet zijns aanschijns" (im Schweiße seines Angesichts) oder "een lust voor het oog" (eine Augenweide).